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Fraktionsvotum zum Proximity-Tracing-System: Dringliche Änderung des Epidemiengesetzes angesichts der COVID-19- Krise

es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

sehr geehrter Herr Bundesrat,

geschätzte Kolleginnen und Kollegen

es gilt das gesprochene Wort

Die Corona-Pandemie hat die Politik und die Gesellschaft seit Monaten im Griff. Die Gesundheit der Bevölkerung und damit jedes einzelnen Menschen stand in der Eindämmung des Virus stets an erster Stelle. Dieses Vorgehen wird und wurde auch von der FDP unterstützt. Das gesundheitliche Wohlbefinden ist aber nicht nur von der Pandemie selbst, sondern auch von den Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie beeinträchtigt. Die Einschränkung vieler Grundrechte und das Herunterfahren der Wirtschaft haben nicht nur Existenzängste ausgelöst, sondern auch viele Menschen vor existenzielle Herausforderungen gestellt. Deshalb war für die FDP früh klar, dass es eine Strategie braucht, um den weiteren Verlauf der Pandemie so zu managen, dass die langfristigen, wirtschaftlich negativen Auswirkungen möglichst gering ausfallen. Die vorliegende Änderung des Epidemiengesetzes leistet einen wichtigen Beitrag dazu.


Es ist im Interesse aller, einerseits eine zweite Welle von Ansteckungen und andererseits auch einen zweiten Shutdown von Gesellschaft und Wirtschaft zu verhindern. Um dies zu erreichen, müssen neue Ansteckungen so gut wie möglich zurückverfolgt werden, sodass potenziell gefährdete Personen in Quarantäne gehen können. Mit dieser sogenannten Containment-Strategie kann die Infektionskette unterbrochen und damit ein exponentielles Wachstum von Ansteckungen verhindert werden. Die Verantwortung dieser Umsetzung liegt bei den Kantonen, insbesondere den Kantonsärztinnen und Kantonsärzten, die mit minutiöser Arbeit versuchen, nachzuvollziehen, wer mit wem in Kontakt war.


Um diese Arbeit zu vereinfachen, war schon länger der Einsatz einer Applikation im Gespräch, welche die Arbeit der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte zwar nicht ersetzen, aber ergänzen kann. Im Rahmen dieser Diskussionen kam die Befürchtung auf, dass es einen Zwang zur Nutzung geben wird. Ebenfalls wurden datenschutzrechtliche Bedenken geäussert. Aus diesem Grund haben die Staatspolitischen Kommissionen des National- und Ständerates eine gleichnamige Motion eingereicht, in welcher der Bundesrat aufgefordert wird, eine gesetzliche Grundlage für eine Applikation auszuarbeiten, die auf Freiwilligkeit beruht. Der Quellcode soll zudem öffentlich zugänglich sein und die Daten dezentral abgespeichert werden. Dezentral bedeutet, dass nur mein eigenes Handy weiss, ob ich potenziell infiziert bin oder nicht. Keine Behörde hat auf diese Daten Zugriff. Das wäre rein technisch auch gar nicht möglich.


Die FDP-Liberale Fraktion begrüsst diese Grundsätze sehr und ist erfreut darüber, dass in der gesetzlichen Anpassung die erwähnten Bedenken ausgeräumt werden konnten. Man kann schon fast von einem digitalen Vorzeigeprojekt sprechen, wenn man bedenkt, wie der Bund sonst digitale Gesetzgebungen anpackt.


Speziell zu erwähnen ist, dass die App sämtliche aktuellen datenschutzrechtlichen Bestimmungen einzuhalten hat. Weiter ist es die erste App, welche die Bluetooth-Schnittstelle von Google und Apple verwendet, sodass die Fehlerquelle in der Anwendung stark minimiert werden kann.


Die zentralen Forderungen der FDP-Liberalen Fraktion nach Freiwilligkeit, Datenschutz und Open Source wurden somit erfüllt. Gleichwohl gaben einige Punkte zu reden, auf die ich an dieser Stelle gerne eingehen möchte:

1. Erhalte ich eine Erwerbsersatzentschädigung, wenn ich mich freiwillig in Quarantäne begebe? Diese Frage haben wir in der Kommission ausführlich besprochen. Wir kamen zum Schluss, dass sie nicht mit der vorliegenden Änderung des Epidemiengesetzes gelöst werden kann. Die Frage stellt sich nämlich grundsätzlich und auch für die klassische Quarantäne, da die Notverordnung Mitte September ausläuft. Es braucht daher ohnehin eine Gesamtschau und eine Lösung für die Zeit nach Mitte September. Der Bundesrat hat diesbezüglich versichert, dass er uns zeitnah eine solche Lösung vorlegen werde, weshalb es nur eine neue Herausforderung wäre und neue Probleme schaffen würde, wenn wir heute diese Frage nach dem Erwerbsersatz auch noch regeln würden.

2. Wurde die Lancierung der App aufgrund dieser zusätzlichen Schlaufe verzögert? Uns wurde versichert, dass die Lancierung der App aufgrund der gesetzlichen Grundlage nur um wenige Wochen verzögert worden sei. Es war ohnehin angedacht gewesen, die App zuerst einer Test-Community zur Verfügung zu stellen, bevor sie lanciert wird. An dieser Stelle muss ich festhalten, dass mir eine Verzögerung von wenigen Tagen lieber ist, als eine App zu haben, welche datenschutzrechtlich nicht ausgereift ist und die freiwillige Nutzung nicht gewährleistet. Wäre dieser Fall eingetroffen, würden wohl nur wenige die App nutzen. Es ist zu hoffen, dass die Bedenken bezüglich des Datenschutzes aufgrund der intensiven politischen Debatte und der hier vorliegenden gesetzlichen Grundlage ausgeräumt werden konnten und dass die Bevölkerung der App vertrauen und diese freiwillig nutzen wird.

3. Was passiert, wenn mir die App eine potenzielle Ansteckung anzeigt? Vorerst passiert nichts. Die Information ist nur auf meinem Gerät ersichtlich, und es liegt dann an mir, ganz eigenverantwortlich zu handeln. Es wird mir empfohlen, strengere Schutzmassnahmen einzuhalten, umzusetzen und den Kontakt mit anderen Personen so gut wie möglich zu vermeiden. Fühlt man entsprechende Symptome, soll der Arzt aufgesucht werden und man soll sich allenfalls testen lassen. Wenn dieser Test positiv ausfällt, folgen die gleichen Massnahmen wie auch beim klassischen Tracing.

4. Ich habe nicht nur hier und heute, sondern auch in der Kommissionsberatung Vergleiche mit staatlichen Überwachungen aus dem letzten Jahrhundert gehört; Vergleiche mit irgendwelchen Büchern, die man mehr oder weniger gelesen hat. Hierzu kann ich Ihnen nur sagen: Ich finde es eine unglaubliche Verharmlosung der staatlichen Taten, Untaten, des letzten Jahrhunderts, wenn man diese App, die auf Freiwilligkeit setzt, wo der Staat gar keinen Zugriff auf die Daten hat, auch nur ansatzweise mit Machenschaften des letzten Jahrhunderts vergleicht. Es ist eine Verharmlosung dieser Verbrechen und auch eine Irreführung der Bevölkerung heute, wenn man so tut, als ob diese App nur annähernd etwas mit damals durchgesetzten staatlichen Überwachungsmanssnahmen zu tun hat. 

Zu Kollege de Courten: Natürlich wurden sehr viele Fragen während der Debatte aufgeworfen, nach dem Open Source, nach der Freiwilligkeit. Doch diese Fragen wurden ja alle in der Kommission beantwortet. Wenn jetzt jemand auf die Idee kommt, wie zum Beispiel Kollege Bäumle, der die Freiwilligkeit relativieren will, dann wird es ja hier und heute diskutiert und darüber abgestimmt. Wir können doch nicht bei jeder gesetzlichen Änderung schon im Vornherein Nein sagen, weil wir Bedenken haben, dass irgendwann vielleicht einmal eine Frage aufgeworfen wird, bei der man anderer Meinung ist. All diese Fragen, die Sie aufgeworfen haben, haben wir abschliessend diskutiert, sie sind im Gesetz abschliessend geregelt. Wenn es weitergehen würde, wäre ich auch dagegen, aber diese Frage stellt sich heute nicht.

Zu Kollegin Wasserfallen: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Sie können natürlich das E-ID-Gesetz jetzt nicht direkt mit dem Proximity Tracing vergleichen respektive wenn Sie das schon tun, dann müssen Sie auch sagen, dass eben auch das Contact Tracing, über das wir heute diskutieren, von einer privaten Firma entwickelt und lanciert wurde; also genau wie bei der E-ID, wo man eben darauf setzt, dass man staatlich sagt, was gefordert ist, und Private das umsetzen. Es ist bei diesem Gesetz auch der Fall. Es ist nicht das BAG, dass Coder angestellt hat, die Tag und Nacht programmieren, sondern es sind eben private Entwickler, Startups, die diese Innovationen zur Verfügung stellen. Ihr Werbesport wäre also eher für das E-ID-Gesetz als dagegen gewesen, aber das können wir dann gerne in Ruhe noch ausdiskutieren.

Als Partei des Fortschritts ist für die FDP klar, dass das Contact-Tracing nicht nur analog, sondern auch digital stattfinden soll. Dass bei der digitalen Verfolgung die Sensibilität höher ist, scheint nachvollziehbar zu sein. Deshalb haben wir die damit verbundene politische Debatte angestossen und befinden heute über die vorliegende Gesetzesänderung, um wirklich alle Bedenken auszuräumen. Ich bin froh, dass uns das gut gelungen ist und wir hoffentlich bald die App nutzen können, um so auch selber und eigenverantwortlich einen Beitrag zur Eindämmung der Corona-Pandemie leisten zu können.

In diesem Sinne wird die FDP-Liberale Fraktion auf das Geschäft eintreten und der Mehrheit der Kommission folgen und entsprechend die Minderheiten wie auch die Einzelanträge ablehnen.

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