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Die Jungen erobern Bundesbern. Und schon wird an ihrer Kompetenz gezweifelt. Warum nur?

Die Verjüngung unseres Parlaments schreitet munter voran. Johanna Gapany, die freisinnige Freiburgerin, und Lisa Mazzone, die grüne Genferin, wurden am Wochenende in den Ständerat gewählt. Beide sind 31 Jahre alt.

Der Nationalrat, traditionell sowieso die jüngere Kammer, ist so jung wie noch nie. Das Durchschnittsalter ist erstmals unter 50 Jahre gesunken. Die Zahl der unter 30-Jährigen hat sich von vier auf sieben fast verdoppelt.

Das ist nun in einem Land, in dem das Wählbarkeitsalter bei 18 Jahren liegt, nun noch kein besonders sensationeller Wert. Dennoch haben Abgewählte, Kommentatoren (vermutlich im eher vorgerückten durchschnittlichen Kommentatorenalter) und andere Missgünstlinge schon ein Haar in der Suppe gefunden: Mit vielen neuen, jungen, unerfahrenen Ratsmitgliedern gehe im Parlament Fachwissen verloren. Das politische Langzeitgedächtnis sei vom Aussterben bedroht, diese Elefantenweisheit, die es eben brauche, um die langsamen Mühlen des Politbetriebs zu durchdringen.

Wählerinnen und Wähler sehen das mitunter anders. Mit 31 wurde in Österreich Sebastian Kurz zum ersten Mal Bundeskanzler, jetzt, mit 33 will er schon seine zweite Regierung bilden. Jacinda Ardern war 37, als sie Premierministerin von Neuseeland wurde. Viktor Orbán, man hat das heute vergessen, war 35, als er 1998 erstmals ungarischer Premier wurde. Mit 39 wurde Emmanuel Macron französischer Präsident. Unter etwas anderen Bedingungen wurde 2011 Kim Jong-un «Oberster Führer» Nord­koreas – mit 27 Jahren.

Und das sind nur die aktuellsten Beispiele. Napoleon putschte sich mit 30 Jahren zu Frankreichs «Erstem Konsul». Der «Comandante en Jefe» Fidel Castro erkämpfte sich mit 33 die Macht in Kuba. Heinrich Himmler war 29, als er Reichsführer der SS wurde und damit eine der wichtigsten Figuren im späteren Nazistaat.

Umgekehrt ist Donald Trump 73-jährig, und seine wichtigsten Herausforderer für das Amt des US-Präsidenten würden in einer typischen Seniorenresidenz den Altersschnitt eher noch anheben: Joe Biden (76), Bernie Sanders (78), Elizabeth Warren (70), Michael Bloomberg (77).

Man sieht: Jugendlichkeit ist kein Hindernis für Politiker. Fortgeschrittenes Alter aber auch kein Qualitätsmerkmal. Wenn schon, wünscht man sich in der Schweiz mehr jüngere Leute im Politikbetrieb. Nicht weil sie zukunftsgerichteter, unabhängiger oder besser politisieren, sondern einfach, weil es sie braucht: ihre Perspektive, ihre Unverbrauchtheit. Und weil sie nicht sagen können «das haben wir schon immer so gemacht».

Dass Ruth Metzler mit 34 Jahren Bundesrätin wurde, ist jetzt auch schon wieder 20 Jahre her. Die Zeit für junge Leute an der Spitze der Schweiz ist so reif, wie sie es immer war.

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