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Angestellte und Bewerberinnen berichten von Diskriminierung und einer von Sexismus geprägten Firmenkultur. Der Nationalbank-Präsident Thomas Jordan hält dagegen.

von Jon Mettler, Robert Mayer und Dominik Feusi

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) befördere fast nur Männer, toleriere eine in Zügen sexistische Unternehmenskultur und entlöhne zumindest in einigen Fällen Männer besser als Frauen: Dies berichtet die «Republik». Das digitale Magazin beruft sich dabei auf anonyme Aussagen von aktuellen oder früheren Mitarbeiterinnen sowie Bewerberinnen. 

So berichtet eine ehemalige Mitarbeiterin der Nationalbank, ein Vorgesetzter habe ihr während der Arbeit erklärt, wofür ihre Geschlechtsorgane gut wären. Überdies wurden zumindest in einigen Fällen Frauen bei ähnlicher Qualifikation schlechter bezahlt als Männer.

Jordan: Jeder Einzelfall wird angeschaut

SNB-Präsident Thomas Jordan zeigte sich betroffen ob der Vorwürfe. An einer Telefonkonferenz sagte er, man werde entsprechende Hinweise ernst nehmen und jeden einzelnen Fall genau anschauen. Mobbing sei in seinem Haus «schlicht nicht akzeptabel».

Natürlich, so der Präsident, sei die Nationalbank nicht perfekt, und Einzelfälle von Diskriminierung und Fehlverhalten seien möglich. Aber es gebe bei der Nationalbank «kein systemisches Problem». Die SNB habe vielmehr grösstes Interesse an einem guten Arbeitsumfeld und sei darauf angewiesen, die fähigsten Mitarbeitenden zu rekrutieren.

Laut Jordan hat die Nationalbank eine Lohngleichheitsanalyse durchgeführt. Mit dem vom Bund zur Verfügung gestellten Instrument sei keine Lohndiskriminierung festgestellt worden. Zudem gibt es bei der SNB gemäss Susanne Mühlemann, Leiterin Kommunikation, eine Meldestelle, bei der anonym ein Fehlverhalten rapportiert werden kann. Alle drei Jahre führt die SNB eine anonyme Mitgliederbefragung und anonyme Führungsfeedbacks durch. Den Mitarbeitenden stünde hausintern eine Beratung und eine unentgeltliche und anonyme Beratung durch eine externe Firma zur Verfügung.

Nationalräte wollen Antworten

Möglicherweise schaltet sich nun die Bundespolitik ein. Die grüne Zürcher Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber wird das Thema an der nächsten Sitzung der Geschäftsprüfungskommission (GPK) zur Sprache bringen. «Der tiefe Anteil Frauen im Kader lässt schon die Vermutung zu, dass es bei der SNB eine patriarchale Kultur gibt», findet Prelicz-Huber. «Wenn die Vorwürfe stimmen, ist das erschreckend.» 

«Es ist längst erwiesen, dass gemischte Teams erfolgreicher sind.»

Céline Widmer, Nationalrätin SP (ZH)

Die Zürcher SP-Nationalrätin Céline Widmer will sich zu den konkreten Vorwürfen nicht äussern. Diese müssten rechtlich abgeklärt werden. Zum Frauenanteil in Kaderpositionen hat sie aber bereits eine Interpellation eingereicht, die von Frauen aus den Mitteparteien unterstützt wird. Sie will wissen, wieso der Frauenanteil im Kader bei der SNB weniger als zwanzig Prozent beträgt, wenn er selbst bei der Europäischen Zentralbank und in der amerikanischen Fed deutlich höher ist. «Ein höherer Frauenanteil ist nicht nur ein Gebot der Gleichstellung, sondern es ist auch längst erwiesen, dass gemischte Teams erfolgreicher sind», sagt Widmer. Sie wolle wissen, wie die SNB diesen Rückstand aufholen will. 

Weniger dramatisch betrachtet man die Vorwürfe bei den anderen Parteien. Andri Silberschmidt, Zürcher FDP-Nationalrat und wie Katharina Prelicz-Huber Mitglied der GPK findet, es sei vor allem die Aufgabe des Bundesrates, die SNB zu beaufsichtigen. Wenn Thomas Jordan in der GPK auftrete, dann sei die Unternehmenskultur jedoch bereits ein Thema. «Und das ist gut so.» Marianne Binder, CVP-Nationalrätin in der GPK findet, es sei verfrüht, die Sache auf die Traktandenliste der GPK zu setzen. «Ich erwarte, dass er die Sachlage aufarbeitet, die Anschuldigungen gründlich untersucht und schnell Transparenz schafft, inwiefern Mobbing vorhanden ist.»

«Ich will, dass die besten Ökonominnen und Ökonomen bei der SNB arbeiten.»

Thomas Aeschi, Fraktionschef SVP

Thomas Aeschi, Fraktionschef der SVP und Mitglied der Wirtschaftskommission, in der Thomas Jordan mehrmals pro Jahr antraben muss, sagt, die Vorwürfe seien genau betrachtet ziemlich nebulös. «Jordan führt die Nationalbank modern und umsichtig, findet Aeschi, «ich habe nicht den Eindruck, dass die SNB Frauen diskriminiert.» Entscheidend sei nicht das Geschlecht bei einer Bewerbung. «Ich will, dass die besten Ökonominnen und Ökonomen bei der SNB arbeiten», fordert Aeschi. 

Die beschlossene Revision des Aktienrechts sieht eine weiche Frauenquote vor. «Geschlechterrichtwerte» heisst das im Beamtendeutsch. Der Bundesrat hat festgelegt, dass ab kommenden Jahr bei grossen börsenkotierten Schweizer Firmen mindestens 20 Prozent der Mitglieder der Geschäftsleitung Frauen sein müssen. Für den Verwaltungsrat gilt ein Wert von 30 Prozent. 

Im Direktorium würde die SNB die Quote einhalten, im erweiterten Direktorium und im Bankrat jedoch nicht. Das Finanzdepartement lässt ausrichten, dass die Quote bei der SNB nicht gelte, da die Organisation im Nationalbankgesetz geregelt sei.

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